Verbleibende Störungen nach der Trauma-Erinnerungstherapie

Uns interessiert hier der Zusammenhang zwischen PTSD und der Trauma-Erinnerungstherapie. Von vielen Therapeuten werden nämlich die psychischen Störungen der Patienten, die falsche Erinnerungen an sexuellen Missbrauch entwickeln, als PTSD bezeichnet Das könnte dazu dienen, der Störung einen wissenschaftlich anerkannten Status zu geben. Da – wie wir unter Symptome gesehen haben – die Trauma-Erinnerungstherapeuten jede nur mögliche psychische Schwierigkeit als Indiz für eine verdrängte Erinnerung an Missbrauch requirieren, ist es nicht verwunderlich, dass auch die meisten Symptome einer PTSD zu der Vermutung eines erlittenen sexuellen Missbrauchs herangezogen werden.

Da aber in Tausenden von Trauma-Erinnerungstherapien so gut wie keine Fälle gefunden wurden, bei denen der angebliche Missbrauch tatsächlich nachgewiesen werden konnte, ist das erste der oben angegebenen Kriterien, nämlich dass ein erwiesenes Trauma in der Vergangenheit des Patienten vorliegt, praktisch niemals erfüllt.

Das zweite der obigen Kriterien, belastende Erinnerungen an das Trauma, kann jedenfalls am Anfang einer Therapie nicht erfüllt sein, weil die Patienten ja praktisch immer ohne Erinnerung an einen sexuellen Missbrauch in die Therapie gehen und diese Erinnerungen nach Auffassung der Therapeuten verdrängt oder abgespalten, auf alle Fälle unzugänglich sind.

Da aber die Patienten im Zuge der Therapie (falsche) Erinnerungen an sexuellen Missbrauch entwickeln, und da sie meist fest überzeugt sind, dass diese Erinnerungen auf echten Erlebnissen beruhen, werden sie tatsächlich zu Trauma-Opfern. Ihr Trauma aber ist nicht ein realer Missbrauch im Kindesalter, sondern das vom Therapeuten suggestiv erzeugte Bewusstsein eines solchen Erlebnisses. So kommen sie im Lauf der Zeit tatsächlich zu einem Zustand, in dem sämtliche auf das Leiden einer PTSD bezogenen Kriterien erfüllt sein können.

Definition des sogenannten False Memory Syndrome

Das gilt insbesondere für das dritte Kriterium, ein ausgeprägtes Vermeidungsverhalten, das meist auch noch nach Abschluss der Therapie erhalten bleibt. Es ist das, was der Gedächtniswissenschaftler John Kihlstrom bei seiner Definition des false memory syndrome als eine Störung charakterisiert hat. Die gelegentlich diskutierte Frage, ob man es als Syndrom bezeichnen sollte oder nicht, erscheint als pedantische Haarspalterei. Kihlstroms Definition liefert nämlich eine sehr gute Beschreibung einer Störung, unter der die meisten Patienten nach einer Trauma-Erinnerungstherapie weiterhin leiden:

… ein Zustand, bei dem die Identität einer Person und ihre zwischenmenschlichen Beziehungen um eine Erinnerung an eine traumatische Erfahrung zentriert sind, die zwar objektiv falsch ist, an die diese Person jedoch fest glaubt. Das Syndrom ist nicht durch falsche Erinnerungen als solche gekennzeichnet. Wir alle haben ungenaue Erinnerungen. Vielmehr kann man das Syndrom feststellen, wenn diese Erinnerung so tief verinnerlicht ist, dass sie die gesamte Persönlichkeit und ihren Lebensstil bestimmt und alle Arten angepassten Verhaltens verhindert. Die Analogie zu Persönlichkeitsstörungen ist beabsichtigt. Das False Memory Syndrom ist besonders schädlich, weil die Person beharrlich jede Konfrontation mit allen Beweisen vermeidet, die die Erinnerung in Frage stellen könnten. Auf diese Weise bekommt diese ein Eigenleben, abgekapselt und nicht korrigierbar. Die Person kann so sehr auf Erinnerung fokussiert sein, dass sie praktisch von der Auseinandersetzung mit den realen Lebensproblemen abgelenkt wird.

In die Diagnosekataloge wurde diese Störung bisher nicht aufgenommen. Die Therapierten leiden darunter sehr und sollten daher eigentlich an einer Verbesserung ihres Zustands interessiert sein. Dafür müssten sie sich aber mit den Ursachen beschäftigen und dem steht die starke Vermeidungshaltung entgegen. Wegen der Analogie zur PTSD wurde in der Literatur deshalb auch von einer posttherapeutischen Belastungsstörung gesprochen (Mair, Katherine, Abused by Therapy, Leicestershire 2013). Unter diesen Umständen ist es kaum verwunderlich, dass die Trauma-Erinnerungstherapie keine überzeugenden Heilerfolge nachweisen kann.

Was ist eine posttraumatische Belastungsstörung?

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