Die kindliche Erinnerungslücke, in der Wissenschaft meist als kindliche Amnesie bezeichnet, bezeichnet die Tatsache, dass Menschen sich nie an Ereignisse vor Ende des zweiten Lebensjahres und nur selten an Ereignisse vor Ende des dritten Lebensjahres erinnern können. Auch Erinnerungen im vierten Lebensjahr sind rar.
Dabei ist es keineswegs so, dass kleine Kinder gar keine Erinnerungen bilden. Insbesondere Gedächtnisinhalte, die in den Bereich des impliziten Gedächtnis oder des semantischen (Bedeutungs-)Gedächtnis fallen, werden in diesem Alter sogar sehr gut gelernt, d.h. gespeichert.
Hier geht es aber um das autobiographische Gedächtnis, das Gedächtnis für selbst erlebte Ereignisse. Auch kleine Kinder erinnern sich an solche Ereignisse für kurze Zeit, diese werden dann aber vergessen. Die Gedächtnisforscher erklären das mit der noch unvollständigen Entwicklung gewisser Hirnbereiche (Hippocampus), die für die Langzeitspeicherung notwendig sind.
Erinnerungen, die vor dem vierten Lebensjahr datiert werden, sind demnach grundsätzlich suspekt. Sämtliche, von Trauma-Erinnerungstherapeuten postulierten Gedächtnismechanismen, die in diese frühen Entwicklungsstadien angeblich hineinreichen (siehe Körpererinnerungen), sind wissenschaftlich nicht belegt und auch nicht wahrscheinlich, da sonst in größerem Umfang frühkindliche Erinnerungen nicht nur behauptet, sondern auch nachgewiesen werden müssten.
Literatur zur kindlichen Amnesie
- Sabbagh: Remembering our Childhood, S. 17-36