Wolff, Gabriele: Ein dunkles Gefühl

Diana-Verlag, 2008, ISBN-13 978-3453351950
Haymon Verlag, 2006, ISBN 978-3-85218-498-2

Das Buch ist eigentlich kein Buch zu falschen Erinnerungen, jedenfalls nicht zu den typischen falschen Erinnerungen an sexuellen Missbrauch, um die sich False Memory Deutschland kümmert. Es ist ein Kriminalroman, und gehört in zweifacher Hinsicht zu den guten: Er ist in einem gepflegten, nicht reißerischen Stil geschrieben und die Probleme sind weitgehend realistisch (abgesehen von der Unwahrscheinlichkeit, dass zwei anfänglich vollkommen getrennte Fälle in einen zusammenlaufen). Zwar landet eine Menge von Fällen bei unseren Beratern, die recht genau dem Fall dieses Buchs entsprechen, doch wir leiten diese fast immer ohne allzu viel Beratung an sachkundige Stellen, vor allem an Rechtsanwälte weiter.

Dass wir trotzdem dieses Buch auch im Zusammenhang dieser Website für lesenswert halten, liegt daran, dass eine sehr sachkundige Autorin hier viele typische Probleme von Sexualdelikten schildert, die sich in gleicher Weise den polizeilichen Ermittlern, den Staats- und Rechtsanwälten und Richtern auch bei falschen Erinnerungen an sexuellen Missbrauch stellen. Da sind Überlegungen zur Glaubhaftigkeit von Opferzeugen, Voreingenommenheit auf allen Ebenen, Erfolgsdruck und Einfluss der Medien in der Strafverfolgung und bei Richtern, Probleme mit Akteneinsicht bei Nebenklägern, Parteinahme von Opferschutzorganisationen, Schwierigkeiten bei Jugendlichen mit Borderline-Symptomen, bei denen Motive schwer erkennbar sind und rasch wechseln, alles Dinge, mit denen die Berater von False Memory Deutschland ständig konfrontiert sind.

Es ist kein Wunder, dass das Buch Sachkunde verrät: Die Autorin ist nämlich von Beruf Staatsanwältin. Das Magazin Der Spiegel hat ein Interview mit ihr geführt, das ebenfalls sehr interessant und aufschlussreich ist, und das hier aufgerufen werden kann.

Kleiner Nachsatz: Einen Einfall der Autorin, der wohl dazu dient, dem Buch literarischen Anspruch zu geben, fand ich als Rezensent (obwohl ich mich nicht zu den literarischen Vollbanausen zähle) allerdings als störend. Das sind ständige Rückgriffe auf eine (übrigens sehr schöne) Novelle von ETA Hoffmann. Diese „kulturell anspruchsvolle“ Ablenkung stört die Einheitlichkeit des Kriminalromans.