Nuber, Ursula: Der Mythos vom frühen Trauma

Frankfurt 1999, 238 Seiten, ISBN 3- 596-14271-7

Nuber ist Psychologin, Psychotherapeutin und psychologische Journalistin. Ihr nunmehr schon etwas bejahrtes Buch ist ein wichtiger und nach wie vor aktueller Text zum Thema der falschen Erinnerungen an Traumata. Doch das eigentliche Anliegen des Buchs ist umfassender: Es geht um die gefährlichen Folgen von Trauma-Theorie und Trauma-Therapie und noch allgemeiner um die Frage, ob Menschen zwangsläufig in ihrer psychischen Entwicklung von Kindheitsereignissen — seien sie nun wahr oder nicht — bestimmt werden.

Das Buch zeugt zwar davon, dass die Autorin sich mit der seinerzeit vorliegenden wissenschaftlichen Literatur intensiv auseinandergesetzt hat, aber es ist kein wissenschaftliches Buch in engerem Sinne. Es ist für psychologisch interessierte Laien geschrieben und leicht lesbar. Anmerkungen und Literaturverzeichnis führen den an wissenschaftlichen Quellen interessierten Leser weiter.

Ausgehend von der verbreiteten Auffassung, dass unser gesamtes Leben unausweichlich von unseren Kindheitserlebnissen bestimmt wird, stellt das Buch dar, wie diese Auffassung aus frühen psychoanalytischen Konzepten entstanden ist. Es wird von Anfang an diese angebliche Kausalität in Frage gestellt. Der Einfluss der Gene wird diskutiert. Der Anfälligkeit des Gedächtnisses, suggestiven Gedächtnisverfälschungen und der mangelnden wissenschaftlichen Fundierung der Verdrängungsmechanismen gilt ein zentrales Kapitel. Die Bedeutung unserer eigenen tradierten Lebensgeschichte und ihrer Veränderungen im Lauf der Zeit und der Einfluss von Selbsthilfebüchern werden ebenso behandelt wie eine Analyse der Gründe, warum wir so gerne an die Macht der eigenen Kindheit über unser heutiges Leben glauben wollen.

Das Buch schließt mit einem konstruktiven Kapitel: Niemand muss in der „Opferfalle“ bleiben. Durch Selbstverantwortung können wir dem Selbstmitleid entkommen.