Lanning, Kenneth V.: Satanic Ritual Abuse, a 1992 FBI Report

(ausgedruckt ca. 40 DIN A4-Seiten)

Dieser wichtige Bericht liegt leider nur auf verschiedenen Internet-Seiten, aber nicht als gedrucktes Buch vor.

Lanning hat den größten Teil seines Berufslebens mit Ermittlungen über Kindesmissbrauch verbracht. Er war zum Zeitpunkt dieses Berichts in der Position eines Supervisors zu Ermittlungen über Kindesmissbrauch beim FBI. Der Bericht wurde verfasst, um der amerikanischen Kriminalpolizei Handhaben und Hilfen bei Ermittlungen zu rituell-satanischem Missbrauch zu geben. Es ist ausdrücklich nicht der Zweck seiner Arbeit und des Berichtes, Beschuldigte zu entlasten. Die mehrfach ausgedrückte größte Sorge des Autors ist es, dass infolge bizarrer oder unglaubwürdiger Beschuldigungen wirklich Schuldige davon kommen könnten.

Schon in den einleitenden Abschnitten zu Kindesmissbrauch allgemein legt Lanning einige Ergebnisse vor, die in engster Übereinstimmung mit dem Buch von Clancy stehen, das 18 Jahre später noch eine gewaltige Empörung hervorrief. So stellt er fest, dass das Profil des Täters, das lange „der böse Fremde mit der Bonbontüte“ war, korrigiert werden muss zum Bekannten oder Familienmitglied, und dass der Missbrauch häufig unter aktiver Mitwirkung der Opfer geschieht, was den Täter aber nicht entlastet. Sehr schnell kommt Lanning auf Definitionsprobleme: So spricht er damals schon die gerade in letzter Zeit so kontrovers diskutierte Frage an, ob religiös motivierte Beschneidung nicht Kindesmissbrauch sei.

Definitionsprobleme hat Lanning auch mit den Worten satanisch und rituell, wobei seine Schwierigkeiten unter anderem darin liegen, dass keines von beiden per se einen kriminellen Charakter hat. Er hilft sich damit, dass er das, was üblicherweise als rituell-satanischer Missbrauch bezeichnet wird, mit dem etwas sperrigen Ausdruck Multidimensionale Kinder-Sex-Ringe (Multidimensional Child Sex Rings) belegt, die er durch vier Charakteristika beschreibt, die sich seit Mitte der 80er Jahre häufen:

  • mehrere oder viele kindliche Opfer
  • mehrere oder viele Täter
  • Angst als taktisches Mittel zur Beherrschung
  • bizarre oder rituelle Handlungen

Die Behauptungen zu diesen Kinder-Sex-Ringen teilt er ein in solche, die unmöglich sind, die möglich aber unwahrscheinlich sind, die möglich und wahrscheinlich sind und die bestätigt werden konnten. Zur ersten Klasse gehören Behauptungen, dass Kinder aufgeschnitten wurden, jedoch später so wiederhergestellt wurden, dass keine Narben hinterblieben. Zur zweiten Klasse gehören vor allem Behauptungen von zigtausend rituellen Morden jährlich. Diesen Zahlen stellt er 23000 nachweisliche Morde insgesamt pro Jahr in den USA und zwischen 50 und 160 Fälle von außerhalb der Familie entführten und ermordeten Kindern gegenüber. Er führt aus, wie schwierig es ist, bei einem Mord nicht nur die Leiche, sondern auch sämtliche Spuren zu verbergen, wenn nur ein Opfer und ein Täter involviert sind. Die Schwierigkeiten steigen mit der Zahl der Morde und der Zahl der involvierten Personen extrem an, so dass es äußerst unwahrscheinlich ist, dass die behaupteten satanistischen Organisationen unentdeckt bleiben. Da aber laut Lanning kein einziger Nachweis der behaupteten rituellen Morde gefunden wurde, ist deren Existenz äußerst unwahrscheinlich. Auch gibt es keinerlei Beweise für die angeblich gute Organisation satanischer Kulte.

Die von den Proponenten rituell-satanischer Missbrauchshandlungen als Beweis vorgebrachte Tatsache, dass ganz ähnliche Berichte von einer Vielzahl von Opfern kommen, die nachweislich nicht mit einander in Verbindung standen, ist für Lanning im Gegenteil ein besonderer Anlass zu zweifeln. Diese Berichte suggerieren eine riesige verschworene Organisation, die kaum unentdeckt bleiben könnte. Eine Vielzahl sehr ähnlicher Berichte kann auch durch den Einfluss der Medien, Legendenbildung, fundamentale Religionen oder suggestive Fragestellung von Ermittlern und/oder Therapeuten zustande kommen, was eher für falsche Erinnerungen spricht..

Er geht der Motivation und den Mechanismen dieser bizarren Beschuldigungen nach. Bei der Motivation stößt er darauf, dass Satanismus eine einfache und populäre Erklärung ist, die von den Medien unterstützt wird, und die insbesondere in streng religiöser Umgebung gedeiht. Er stellt zwar fest, dass es immer wieder Fälle von Morden in Verbindung mit Kulten gegeben hat. Doch Morde, die ausgeführt werden, weil ein vorgegebenes satanische Ritual sie verlangt, hat er nicht ein einziges Mal gefunden.

Bei den Mechanismen identifiziert er pathologische Beschuldiger, kindliche Fantasie, ideologische Interventionen und Legendenbildung sowie die Weitergabe durch Ausbildungsprogramme und Konferenzen für Ermittler und Therapeuten. Die therapeutische Erzeugung falscher Erinnerungen spielt bei ihm nur am Rande eine Rolle.

Er beschreibt eine Vielzahl von Fehlerquellen bei der Ermittlung, so die Erzeugung falscher Aussagen durch gezielte und beeinflussende Fragestellungen bei der Ermittlung, Voreingenommenheit oder religiöse Einstellung der Ermittler. Der Autor geht davon aus, dass es auch auf diesem Gebiet keine stereotypen Fälle gibt, die in vorgegebener Weise gelöst werden können. Entsprechend erwähnt er in seinem Bericht eine riesige Zahl von möglichen Konstellationen und Erklärungen. Dass gerade er als Strafverfolger den möglichen Fehlern der Strafverfolgungsbehörden nachgeht begründet er sehr einfach: Wenn die Strafverfolgungsbehörden nicht selbst in Bezug auf ihre eigene Arbeit kritisch sind, dann wird diese Kritik sicher vom Anwalt der Beschuldigten kommen.

Die Skepsis des Autors in Bezug auf die reale Existenz rituell-satanischen Missbrauchs durchzieht den gesamten Bericht, obwohl er ja seine Aufgabe darin sieht, die Missbrauchstäter zu überführen. Es ist daher nicht erstaunlich, dass von ideologisch fixierter Seite die Behauptung geäußert worden ist, Lanning selbst sei ein Satanist, der in das FBI eingedrungen sei, um Täter zu schützen. Lanning weist diese Beschuldigung nicht nur knapp zurück, sondern fordert auch dazu auf, die Quelle solcher Beschuldigungen sorgfältig zu prüfen.