Kühnel, Sina und Markowitsch, Hans J.: Falsche Erinnerungen

Heidelberg, 2009,  258 Seiten, ISBN 978- 3-8274-1805-0

Der Titel passt nur scheinbar auf das Thema dieser Website, aber falsche Erinnerungen im Sinne induzierter Missbrauchserinnerungen spielen in diesem Buch praktisch keine Rolle. Es geht um Gedächtnispsychologie und um Erinnerungsverfälschung im wissenschaftlichen Sinne, und damit um die wissenschaftliche Basis induzierter Missbrauchserinnerungen. Von Interesse ist das Buch in unserem Rahmen daher, wenn man sich in die wissenschaftlichen Grundlagen vertiefen will.

In den einleitenden Kapiteln wird die Funktion des Gedächtnisses erläutert. Schon im Hauptkapitel über die unterschiedlichen Formen zur Beobachtung und Entstehung verfälschter Erinnerungen wird klar, dass es sich bei falschen Erinnerungen zwar um ein häufiges, aber keineswegs einfach oder monokausal erklärbares Phänomen handelt.  Für das Thema dieser Website ist die experimentell gut untersuchte Verfälschung von Sachwissen weniger von Bedeutung, als die Verfälschung autobiographischer Erinnerungen. Für diese heben die Autoren den Einfluss der eigenen Vorstellung und vor allem den der Suggestion hervor.

Ein eigenes Kapitel wird dem Zusammenhang von Erinnerungsverfälschung und Stress gewidmet. Gerade diese Zusammenhänge werden häufig von Traumatherapeuten einseitig interpretiert. Doch zeigen die Autoren auf, dass auf diesem experimentell schwer untersuchbaren Felde noch viel zu tun ist, bis man situationsabhängig klare Kausalitäten feststellen kann. Das liegt vor allem an den komplexen Regelmechanismen der physiolgischen Steuerung,  die je nach dem Zusammenhang dazu führen können, dass Stress die Bildung zuverlässiger Erinnerungen unterstützen, vermindern oder gar völlig verhindern kann. Welche Mechanismen im Einzelfall maßgeblich sind, lässt sich aber nur selten feststellen.

Auffällig: Der Begriff der Verdrängung kommt in dem Buch nur am Rande und nicht in dem Sinne vor, der von Trauma-Erinnerungs-Therapeuten meist beschworen wird. Man kann vermuten, dass das an dem unwissenschaftlichen Charakter dieses Begriffs liegt.

Literaturregister mit wissenschaftlichen Zitaten aus jüngerer Zeit.