Dogs, Christian Peter und Poelchau, Nina: Gefühle sind keine Krankheit

Ullstein Verlag GmbH, 2017, 230 Seiten, ISBN: 978-3-550-08195-8

Dogs ist Facharzt für Psychiatrie und Psychosomatik, er schreibt in Ich-Form. Daher bleibt unklar, welchen Beitrag die Journalistin Poelchau leistet.

Dogs macht seine eigene Biografie zum wesentlichen Teil des Buches. Er musste seinen Weg als Selfmademan machen, und das nicht nur ohne die Unterstützung seines Vaters, der selbst als Psychiater Kliniken leitete, sondern sogar gegen dessen aggressive Geringschätzung. Das war zweifellos wichtig und prägend für ihn. Dass er es geschafft hat, davon zeugt sein Erfolg, und es zeigt, welch starke Persönlichkeit er ist.

Sein Buch ist keines über falsche Erinnerungen. Die werden zwar am Rande erwähnt, in anderen Veröffentlichungen hat er gezeigt, dass er diese Problematik gut kennt, aber es ist nicht sein Hauptthema. Sein eigentliches Thema ist, dass auf psychotherapeutischem Gebiet vieles faul ist, und besonders in Deutschland. Faul in dem Sinne, dass Therapien oft nicht wirklich dem Wohl des Patienten dienen.

Er untermauert seine Ausführungen mit einem Exkurs zu den physiologischen Grundlagen von Gedanken und Gefühlen, zum Gehirn und der Rolle der Botenstoffe, zu unseren Ansprüchen an uns selbst und unsere Suche nach dem Glück.

In einem ersten Hauptteil, der auch dem Buch sein Thema gegeben hat, setzt er sich mit verschiedenartigen Gefühlen und/oder Störungen auseinander: Trauer, Wut, Angst, Streben nach Anerkennung, Depression, Ess- und Schlafstörungen etc. Dabei zeigt er auf, dass vieles daran völlig normal ist, aber häufig in der Gesellschaft und auch auf seiten der Psychotherapie als krankhaft und therapiewürdig angesehen wird. Er führt ein drastisches Beispiel für diese Fehlentwicklung auf: Trauer um den Verlust eines Angehörigen wurde im Diagnosekatalog DSM III (1980) erst als therapiebedürftig angesehen, wenn sie länger als ein Jahr dauert, in der heute aktuellen Version DSM V aber bereits, wenn sie nach zwei Wochen noch nicht abgeschlossen ist!

Im zweiten Teil des Buches setzt er sich kritisch mit der Psychotherapie in Deutschland auseinander. Er bespricht die einzelnen therapeutischen Methoden. Sein Urteil über die klassische Psychoanalyse ist vernichtend: Es ist für ihn die Therapie, die weitaus am längsten dauert, auf Grund intensiver Lobbyarbeit von den Krankenkassen am großzügigsten finanziert wird – und am wenigsten nützt. Den Therapeuten aber sichert sie gute und lang anhaltende Einkünfte. Überhaupt ist Dogs ein Gegner lang dauernder Therapien und einer Konzentration auf längst vergangene Zeiten. Für ihn sollte eine Therapie nur wenige Wochen dauern und sich in erster Linie auf die Bewältigung der Gegenwart konzentrieren. Nach den Erfahrungen von FMD müssen wir dem zustimmen. Aber auch für Dogs hat die Psychotherapie wichtige Aufgaben, denn darum ist er Therapeut geworden. Wichtig ist seine Auseinandersetzung mit den Methoden, die er für nützlich und sinnvoll hält.

Obwohl Dogs die Provokation zu lieben scheint – sowohl beim Vertreten seines therapeutischen Standpunkts als auch im therapeutischen Vorgehen – man muss nach der Lektüre zugeben, dass alles, was er an sachlichen Informationen und Meinungen in diesem Buch niederlegt, weitgehend richtig und wichtig ist. Dass er sich dabei, vor allem in seiner eigenen Zunft, nicht immer Freunde macht, versteht sich. Schon sein Angriff auf die Therapiedauer ist ja einer auf die Einnahmequellen der Therapeuten.

Sein Buch ist leicht und zügig zu lesen. Es wendet sich an ein breites Publikum und setzt keinerlei Spezialkenntnisse voraus. Für denjenigen, der den Dingen gerne etwas mehr auf den Grund gehen möchte, hat das den Nachteil, dass er für seine Behauptungen keine Literaturangaben als Belege liefert. Der Normalleser wird das nicht vermissen. Wenn die Lektüre trotzdem für den Rezensenten kein reines Vergnügen war, so liegt es mehr im Atmosphärischen: Schon bei der Besprechung von Gefühlen kam das Streben nach Anerkennung zur Sprache, das leicht zum Narzissmus werden kann. Und in einem – wie er schreibt – guten Narzissmus sieht Dogs durchaus etwas Positives. Er ist gewissermaßen „bekennender Narzist“. Doch dass er diesen Narzissmus quer durch das ganze Buch so sehr vor sich hertragen muss, sinngemäß „ich bin der Größte“, das hätte er wirklich nicht nötig.

Nützlich ist sein Buch einerseits, um einen kritischen Blick auf die gesamte psychotherapeutische Szene zu werfen und andererseits durch seinen Überblick über therapeutische Methoden speziell für Personen, die einen geeigneten Therapeuten suchen. Es ermutigt jeden dazu, seine Gefühle anzunehmen und sie nicht immer gleich zum Therapeuten zu tragen und wegtherapieren zu lassen.