Fragebogenaktion von False Memory Deutschland

Die Berater von FMD haben 9 Jahre lang, von 2013 bis 2022, an beratene Personen, bei denen sie zu der Einschätzung gekommen waren, dass sie auf Grund falscher Erinnerungen zu Unrecht des sexuellen Missbrauchs beschuldigt werden, einen Fragebogen geschickt. Wir wollten eine statistische Übersicht über den Charakter dieser Fälle bekommen. Wir erhielten etwa ein Drittel der Fragebögen auswertbar ausgefüllt zurück. Die Auswertungen wurden in Abständen von ca. 1 Jahr fortgeschrieben. Die ersten Auswertungen wurden auf der Basis von wenigen zig Fällen vorgenommen, die letzte auf Basis von mehr als 120 Personen. Von der Möglichkeit, den Fragebogen anonym abzugeben, haben die Wenigsten Gebrauch gemacht, doch in der Auswertung wurde ohnehin alles anonymisiert.

Ein sehr wichtiges Ergebnis dabei ist: Die Kernaussagen der Auswertung haben sich im Lauf der Zeit praktisch nicht verändert. Deshalb wurde diese Aktion auch beendet, weil es wenig Sinn hat, wenn dazu alle Beteiligten einen nicht unerheblichen Arbeitsaufwand leisten, ohne dass das Ergebnis sich nennenswert ändert. Nach Beendigung dieser Aktion wurden sämtliche Fragebögen vernichtet, denn selbst dann, wenn sie anonym abgegeben wurden, lassen sich u. U. aus den Eigenschaften des Falls Rückschlüsse auf die Identität der Personen ziehen. Im Folgenden werden die Kernaussagen dieser Studie zusammengefasst.

Kernaussagen der Fragebogenaktion:

  • Beschuldigt werden in fast 90% der Fälle die Väter, im Rest der Fälle andere Familienangehörige. Mittleres Alter bei Beschuldigung ca. 60 Jahre.
  • Sie werden in ca. 80% der Fälle von Töchtern oder Stieftöchtern beschuldigt. Mittleres Alter bei Beschuldigung ca. 30 Jahre. Fast 90% der Beschuldigenden sind weiblich.
  • Der Ausbildungsstand der Beschuldigten und der beschuldigenden Personen ist sehr ähnlich und liegt weit über dem Bevölkerungsdurchschnitt. Wir vermuten als Grund, dass die soziologische Struktur weitgehend der Struktur von Nutzern einer Psychotherapie gleicht.
  • Praktisch immer wird der Kontakt abgebrochen, meist bereits vor der Beschuldigung. Nur bei einem kleinen Bruchteil der Fälle wird der Kontakt später dauerhaft wieder aufgenommen. Ausdrücklich zurückgenommen wird die Beschuldigung fast nie.
  • Mehr als 80 % der beschuldigenden Personen waren zum Zeitpunkt der Beschuldigung in Psychotherapie, die auch in der überwiegenden Zahl der Fälle als entscheidender Einfluss bei der Entstehung der falschen Erinnerungen vermutet wird. Daneben spielen Sekten oder Opferhilfsorganisationen bei der Entstehung eine Rolle.
  • In keinem einzigen Fall wurde von der beschuldigenden Person vor Aufnahme der Psychotherapie/Beeinflussung bzw. vor der definitiven Beschuldigung ein Verdacht oder eine Erinnerung an sexuellen Missbrauch geäußert.
  • Die bei der Entstehung der falschen Erinnerungen angewandten Methoden sind, soweit bekannt, ein buntes Gemisch aus direkter Suggestion, Hypnose, Visualisation, Literaturempfehlungen und anderen Methoden, die von Traumatherapeuten in deren Veröffentlichungen genannt werden.
  • In mehr als der Hälfte der Fälle spielten psychische Probleme der Beschuldigenden und Psychotherapien, zum Teil langjährig, bereits vor der Beschuldigung eine Rolle. Daneben gibt es in 30-40% der Fälle persönliche Schwierigkeiten mit den Beschuldigenden oder problematische Familiensituationen.
  • Auffälligkeiten bei den beschuldigenden Personen: Zu einem überdurchschnittlichen Teil als hochbegabt beschrieben. Ca. ein Drittel in psychosozialen Berufen, weit mehr als im Bevölkerungsdurchschnitt.
  • Ein wichtiges Ergebnis ist die große Ähnlichkeit der Fallstrukturen unserer Fälle mit der Struktur von einer großen Zahl von Fällen der Jahre bis ca. 2000 in den USA (siehe McHugh, Try to Remember, S. 176-180).
  • In einem Viertel der Fälle gab es eine Strafanzeige gegen den Beschuldigten. Soweit bekannt wurden diese zum größten Teil eingestellt oder führten zum Freispruch. Unter den erfassten Fällen gibt es eine einzige rechtskräftige Verurteilung, was vermutlich an einer inkompetenten Verteidigung und fehlender Glaubhaftigkeitsprüfung liegt.

Wer sich für die Detailergebnisse interessiert, findet diese in der Tabelle.